Immanuel KantAllgemeine Naturgeschichte und Theorie Des Himmels |
Von dem Ursprunge des Ringes des Saturns und Berechnung der täglichen Umdrehung dieses Planeten aus den Verhältnissen desselben.
Vermöge der systematischen Verfassung im Weltgebäude hängen die Theile derselben durch eine stufenartige Abänderung ihrer Eigenschaften zusammen, und man kann vermuthen, dass ein in der entlegensten Gegend der Welt befindlicher Planet ungefähr solche Bestimmungen haben werde, als der nächste Komet überkommen möchte, wenn er durch die Verminderung der Excentricität in das planetische Geschlecht erhoben würde. Wir wollen demnach den Saturn so ansehen, als wenn er auf eine der kometischen Bewegung ähnliche Art etliche Umläufe mit grösserer Excentricität zurück gelegt habe und nach und nach zu einem dem Zirkel ähnlichern Gleise gebracht worden. Die Hitze, die sich ihm in seiner Sonnennähe einverleibte, erhob den leichten Stoff von seiner Oberfläche, der, wie wir aus den vorigen Hauptstücken wissen, bei den obersten Himmelskörpern von überschwenglicher Dünnigkeit ist, sich von geringen Graden Wärme ausbreiten zu lassen. Indessen nachdem der Planet in etlichen Umschwüngen zu dem Abstande, da er jetzt schwebt, gebraucht worden, verlor er in einem so gemässigten Klima nach und nach die empfangene Wärme, und die Dünste, welche von seiner Oberfläche sich noch immer um ihn verbreiteten, liessen nach und nach ab, sich bis in Schweifen zu erheben. Es stiegen auch nicht mehr neue so häufig auf, um die alten zu vermehren: kurz, die schon ihm umgebenden Dünste blieben durch Ursachen, welche wir gleich anführen wollen, um ihn schweben und erhielten ihm das Merkmal seiner ehemaligen kometenähnlichen Natur in einem beständigen Ringe, indessen dass sein Körper die Hitze verhauchte und zuletzt ein ruhiger und gereinigter Planet wurde. Nun wollen wir das Geheimniss anzeigen, das dem Himmelskörper seine aufgestiegene Dünste frei schwebend hat erhalten können, ja, sie aus einer rund um ihn ausgebreiteten Atmosphäre in die Form eines allenthalben abstehenden Ringes verändert hat. Ich nehme an: Saturn habe eine Umdrehung um die Achse gehabt; und nichts mehr, als dieses is nöthig, um das ganze Geheimniss aufzudecken. Kein anderes Triebwerk, als dieses einzige hat durch einen unmittelbaren mechanischen Erfolg gedachtes Phänomenon dem Planeten zuwege gebracht; und ich getraue mir es zu behaupten, dass in der ganzen Natur nur wenig Dinge auf einen so begreiflichen Ursprung können gebracht werden, als diese Besonderheit des Himmels aus dem rohen Zustande der ersten Bildung sich entwickeln lässt.
Die von dem Saturn aufsteigende Dünste hatten die Bewegung an sich und setzten sie in der Höhe, dahin sie aufgestiegen waren, frei fort, die sie als dessen Theile bei seiner Umdrehung um die Achse gehabt hatten. Die Theilchen, die nahe beim Äquator des Planeten aufstiegen, müssen die schnellste und weiter davon ab zu den Polen um so viel schwächere Bewegungen gehabt haben, je grösser die Breite des Orts war, von dem sie aufstiegen. Das Verhältniss der specifischen Schwere ordnete den Partikeln die verschiedentliche Höhen, zu denen sie aufstiegen; aber nur diejenige Partikeln konnten die Örter ihres Abstandes in einem beständig freien Zirkelumschwunge behaupten, deren Entfernungen, in die sie versetezt waren, eine solche Centralkraft erheischten, als diese mit der Geschwindigkeit, welche ihnen von der Achssendrehung eigen war, leisten konnten; die übrigen, wofern sie durch die Wechselwirkung der andern nicht zu dieser Genauheit gebracht werden können, müssen entweder mit dem Übermasse der Bewegung aus der Sphäre des Planeten sich entfernen, oder durch den Mangel derselben auf ihn zurück zu sinken genöthigt werden. Die durch den ganzen Umfang der Dunstkugel zerstreute Theilchen werden vermöge eben derselben Centralgesetze in der Bewegung ihres Umschwunges die fortgesetzte Äquatorsfläche des Planeten von beiden Seiten zu durchschneiden trachten, und indem sie, einander in diesem Plane von beiden Hemisphären begegend, einander aufhalten, werden sie sich daselbst häufen; und weil ich setze, dass gedachte Dünste diejenige sind, die der Planet zu seiner Verkühlung zuletzt herauf schickt, wird alle zerstreuete Dunstmaterie sich neben diesem Plane in einem nicht gar breiten Raume sammlen und die Räume zu beiden Seiten leer lassen. In dieser neuen und veränderten Richtung aber werden sie dennoch eben dieselbe Bewegung fortsetzen, welche sie in freien concentrischen Zirkelumläufen schwebend erhält. Auf solche Weise nun ändert der Dunstkreis seine Gestalt, welche eine erfüllte Sphäre war, in eine Form einer ausgebreiteten Fläche, welche gerade mit dem Äquator des Saturns zusammen trifft; aber auch diese Fläche muss aus eben denselben mechanischen Gründen zuletzt die Form eines Ringes annehmen, dessen äusserer Rand durch die Wirkung der Sonnenstrahlen bestimmt wird, welche diejenige Theilchen, die sich bis zu gewisser Weite von dem Mittelpunkte des Planeten entfernt haben, durch ihre Kraft zerstreuet und entfernt, so wie sie es bei den Kometen thut, und dadurch die auswendige Grenze ihres Dunstkreises abzeichnet. Der inwendige Rand dieses entspringenden Ringes wird durch das Verhältniss der Geschwindigkeit des Planeten unter seinem Äquator bestimmt. Denn in demjenigen Abstande von seinem Mittelpunkte, da diese Geschwindigkeit mit der Attraction des Orts das Gleichgewicht leistet, da ist die grösste Nähe, in welcher die von seinem Körper aufgestiegene Theilchen durch die von der Achsendrehung eigene Bewegung Zirkelkreise beschreiben können. Die nähern Theilchen, weil sie einer grössern Gesechwindigkeit zu solchem Umlaufe bedürfen, die sie doch nicht haben können, weil selbst auf dem Äquator des Planeten die Bewegung nicht schneller ist, werden dadurch excentrische Läufe erhalten, die einander durchkreuzen, eines der andern Bewegung schwächen und endlich insgesammt auf den Planeten niederstürzen, vom dem sie sich erhoben hatten. Da sehen wir nun das wunderseltsame Phänomenon, dessen Anblick seit seiner Entdeckung die Astronomen jederzeit in Bewunderung gesetzt hat, und dessen Ursache zu entdecken man niemals auch nur eine wahrscheinliche Hoffnung hat fassen können, auf eine leicht, von aller Hypothese befreiete mechanische Art entstehen. Was dem Saturn widerfahren ist, das würde, wie hieraus leicht ersehen werden kann, einem jeden Kometen, der genugsame Achsendrehung hätte, wenn er in eine beständige Höhe versetzt würde, in der sein Körper nach und nach verkühlen könnte, eben so regelmässig widerfahren. Die Natur ist an vortrefflichen Auswickelulngen in dem sich selbst gelaassenen Zustande ihrer Kräfte sogar im Chaos fruchtbar, und die darauf folgende Ausbildung bringt so herrliche Beziehungen und Übereinstimmungen zum gemeinsamen Nutzen der Creatur mit sich, dass sie sogar in den ewigen und unwandelbaren Gesetzen ihrer wesentlichen Eigenschaften dasjenige grosse Wesen mit einstimmiger Gewissheit zu erkennen geben, in welchem sie vermittelst ihrer gemeinschaftlichen Abhängigkiet sich zu einer gesammten Harmonie vereinbaren. Saturn hat von seinem Ringe grosse Vortheile; er vermehrt seinen Tag und erleuchtet unter so viel Monden dessen Nacht dermassen, dass man daselbst leichtlich die Abwesenheit der Sonne vergisst. Aber muss man denn deswegen leugnen, dass die allgemeine Entwickelung der Materie durch mechanische Gesetze, ohne andere, als ihre allgemeine Bestimmungen zu bedürfen, habe Beziehungen hervorbringen können, die der vernünftigen Creatur Nutzen schaffen? Alle Wesen hängen aus einer Ursache zusammen, welche der Verstand Gottes ist; sie können daher keine andere Folgen nach sich ziehen, als solche, die eine Vorstellung der Vollkommenheit in eben derselben göttlichen Idee mit sich führen.
Wir wollen nunmehr die Zeit der Achsendrehung dieses Himmelskörpers aus den Verhältnissen seines Ringes nach der angeführten Hypothese seiner Erzeugung berechnen. Weil alle Bewegung der Theilchen des Ringes eine einverleibte Bewegung von der Achsendrehung des Saturns ist, auf dessen Oberfläche sie sich befanden: so trifft die schnellst Bewegung unter denen, die diese Theilchen haben, mit der schellsten Umwendung, die auf der Oberfläche des Saturns angetroffen wird, überein, das ist: die Geschwindigkeit, womit die Partikeln des Ringes in seinem inwendigen Rande umlaufen, ist derjenigen, die der Planet auf seinem Äquator hat, gleich. Man kann aber jene leicht finden, indem man sie aus der Geschwindigkeit eines von den Saturnustrabanten sucht, dadurch dass man selbige in dem Verhältnisse der Quadratwurzel der Entfernungen von dem Mittelpunkte des Planeten nimmt. Aus der gefundenen Geschwindigkeit ergiebt sich unmittelbar die Zeit der Umdrehung des Saturns um seine Achse; sie ist von sechs Studen, drei und zwanzig Minuten und drei und funfzig Secunden. Diese mathematische Berechnung einer unbekannten Bewegung eines Himmelskörpers, die vielleicht die einzige Vorherverkündigung ihrer Art in der eigentlichen Naturlehre ist, erwartet von den Beobachtungen künstiger Zeiten die Bestätigung. Die noch zur Zeit bekannte Ferngläser vergrössern den Saturn nicht so sehr, dass man die Flecken, die man auf seiner Oberfläche vermuthen kann, dadurch entdecken könnte, um durch deren Verrückung seine Umwendung um die Achse zu ersehen. Allein die Sehröhre haben vielleicht noch nicht alle diejenige Vollkommenheit erlangt, die man von ihnen hoffen kann, und welche der Fleiss und die Geschicklichkeit der Künstler uns zu versprechen scheint. Wenn man dereinst dahin gelangte, unsern Muthmassungen den Ausschlag durch den Augenschein zu geben, welche Gewissheit würde die Theorie des Saturns und was für enine vorzügliche Glaubwürdigkeit würde das ganze System dadurch nicht erlangen, das auf den gleichen Gründen errichtet ist. Die Zeit der täglichen Umdrehung des Saturns führt auch das Verhältniss der den Mittelpunkt fliehenden Kraft seines Äquators zu Schwere auf seiner Oberfläche mit sich; sie ist zu dieser, wie 20:32. Die Schwere ist also nur um 3/5 grösser, als die Centerfliehkraft. Dieses so grosse Verhältniss verursacht nothwendig einen sehr beträchtlichen Unterschied der Durchmesser dieses Planeten, und man könnte besorgen, dass er so gross enspringen müsste, dass die Beobachtung bei diesem obzwar wenig durch das Fernglas vergrösserten Planeten dennoch gar zu deutlich in die Augen fallen müsste, welches wirklich nicht geschieht, und die Theorie dadurch einen nachtheiligen Anstoss erleiden könnte. Eine gründliche Prüfung hebt diese Schwierigkeit völlig. Nach der Huygenianischen Hypothese, welche annimmt, dass die Schwere in dem Innern eines Planeten durch und durch gleich sei, ist der Unterschied der Durchmesser in einem zweifach kleinern Verhältniss zu dem Durchmesser des Äquators, als die Centerfliehkraft zur Schwere unter den Polen hat. Z. E. da bei der Erde die den Mittelpunkt fliehende Kraft des Äquators 1/289 der Schwere unter den Polen ist: so muss in der Huygenianischen Hypothese der Durchmesser der Äquatorsfläche 1/578 grösser, als die Erdachse sein. Die Ursache ist diese: weil, da die Schwere, der Voraussetzung gemäss in dem Innern des Erdklumpens in allen Nähen zum Mittelpunkte so gross, wie auf der Oberfläche ist, die Centrifugalkraft aber mit den Annäherungen zum Mittelpunkte abnimmt, selbige nicht allenthalben 1/289 der Schwere ist, sondern vielmehr die ganze Verminderung des Gewichtes der flüssignen Säule in der Äquatorsfläche aus diesem Grunde nicht 1/289, sondern die Hälfte davon, d. i. 1/578 desselben, beträgt. Dagegen hat in der Hypothese des Newton die Centerfliehkraft, welche die Achsendrehung erregt, in der ganzen Fläche des Äquators bis zum Mittelpunkte ein gleiches Verhältniss zur Schwere des Orts: weil diese in dem Innern des Planeten (wenn er durch und durch von gleichförmiger Dichtigkeit angenommen wird) mit dem Abstande vom Mittelpunkte in derselben Proportion, als die Centerfliehkraft abnimmet, mithin diese jederzeit 1/289 der erstern ist. Dieses verursacht eine Erleichterung der flüssign Säule in der Äquatorsfläche und auch die Erhebung derselben um 1/289, welcher Unterschied der Durchmesser in diesem Lehrbegriffe noch dadurch vermehrt wird, dass die Verkürzung der Achse eine Annäherung der Theile zum Mittelpunkte, mithin eine Vermehrung der Schwere, die Verlängerung des Äquatordurchmessers aber eine Entfernung der Theile von eben demselben Mittelpunkte und daher eine Verringerung ihrer Gravität mit sich führt und aus diesem Grunde die Abplattung des Newtonischen Sphäroids so vermehrt, dass der Unterschied der Durchmesser von 1/289 bis zu 1/250 erhoben wird.
Nach diesen Gründen müssten die Durchmesser des Saturns noch in grösserem Verhältnisse, als das von 20 zu 32 ist, gegen einander sein; sie müssten der Proportion von 1 zu 2 beinahe gleich kommen: ein Unterschied, der so gross ist, dass die geringste Aufmerksamkeit ihn nicht fehlen würde, so klein auch Saturn durch die Ferngläser erscheinen mag. Allein heiraus ist nur zu ersehen, dass die Voraussetzung der gleichförmigen Dichtigkeit, welche bei dem Erdkörper ziemlich richtig angebracht zu sein scheint, beim Saturn gar zu weit von der Wahrheit abweiche; welches schon an sich selber bei einem Planeten wahrscheinlich ist, dessen Klumpen dem grössten Theile seines Inhaltes nach aus den leichtesten Materien besteht und denen von schwererer Art in die Niedersinkung zum Mittelpunkte nach Beschaffenheit ihrer Schwere weit freier verstattet, als diejenige Himmelskörper, deren viel dichterer Stoff den Niedersatz der Materien verzögert und sie, ehe diese Niedersinkung geschehen kann, fest werden lässt. Indem wir also beim Saturn voraussetzen, dass die Dichtigkeit seiner Materien in seinem Innern mit der Annäherung zum Mittelpunkte zunehme, so nimmt die Schwere nicht mehr in diesem Verhältnisse ab; sondern die wachsende Dichtigkeit ersetzt den Mangel der Theile, die über die Höhe des in dem Planeten befindlichen Punkts gesetzt sind und durch ihre Anziehung zu dessen Gravität nichts beitragen. Wenn diese vorzügliche Dichtigkeit der tiefsten Materien sehr gross ist, so verwandelt sie vermöge der Gesetze der Anziehung die zum Mittelpunkte hin in dem Innern abnehmende Schwere in eine fast gleichförmige und setzt das Verhältniss der Durchmesser dem Huygenischen nahe, welches immer die Hälfte von dem Verhältniss zwischen der Centrifugalkraft und der Schwere ist; folglich da diese gegen einander wie 2:3 waren, so wird der Unterschied der Durchmesser dieses Planeten nicht 1/3, sondern 1/6 des Äquatordurchmessers sein; welcher Unterschied schliesslich noch dadurch verborgen wird, weil Saturn, dessen Achse mit der Fläche seiner Bahn jederzeit einen Winkel von 31 Graden macht, die Stellung desselben gegen seinen Äquator niemals, wie beim Jupiter gerade zu darbietet, welches den vorigen Unterschied fast um den dritten Theil dem Scheine nach vermindert. Man kann bei solchen Umständen und vornehmlich bei der so grossen Weite dieses Planeten leicht erachten: dass die abgeplattete Gestalt seines Körpers nicht so leicht, als man wohl denken sollte, in die Augen fallen werde; dennoch wird die Sternwissenschaft, deren Aufnehmen vornehmlich auf die Vollkommenheit der Werkzeuge ankommt, die Entdeckung einer so merkwürdigen Eigenschaft, wo ich mir nicht zu sehr schmeichle, durch derselben Hülfe vielleicht zu erreichen in den Stand gesetzt werden.
Was ich von der Figur des Saturns sage, kann gewissermassen der Naturlehre des Himmels zu einer allgemeinen Bemerkung dienen. Jupiter, der nach einer genauen Ausrechnung ein Verhältniss der Schwere zur Centrifugalkraft auf seinem Äquator wenigstens wie 9.25:1 hat, sollte, wenn sein Klumpen durch und durch von gleichförmiger Dichtigkeit wäre, nach den Lehrsätzen des Newton einen noch grössern Unterschied, als 1/9 zwischen seiner Achse und dem Äquatorsdurchmesser an sich zeigen. Allein Cassini hat ihn nur 1/16, Pound 1/12, bisweilen 1/14 befunden; wenigstens stimmen alle diese verschiedene Beobachtungen, welche durch ihren Unterschied die Schwierigkeit dieser Abmessung bestätigen, darin überein, sie viel kleiner zu setzen, als sie es nach dem System des Newton, oder vielmehr nach seiner Hypothese von der gleichförmigen Dichtigkeit sein sollte. Und wenn man daher die Voraussetzung der gleichförmigen Dichtigkeit, welche die so grosse Abweichung der Theorie von der Beobachtung veranlasst, in die viel wahrscheinlichere verändert, da die Dichtigkeit des planetischen Klumpens zu seinem Mittelpunkte hin zunehmend gesetzt wird: so wird man nicht allein an dem Jupiter die Beobachtung rechtfertigen, sondern auch bei dem Saturn, einem viel schwerer abzumessenden Planeten, die Ursache einer minderen Abplattung seines sphäroidischen Körpers deutlich einsehen können.
Wir haben aus der Erzeugung des saturnishen Ringes Anlass genommen, den kühnen Schritt zu wagen, die Zeit der Achsendrehung, welche die Ferngläser zu endecken nicht vermögen, ihm durch Rechnung zu bestimmen. Lasset uns diese Probe einer physischen Vorhersagung noch mit einer andern an eben diesem Planeten vermehren, welche von vollkommeneren Werkzeugen künftiger Zeiten das Zeugnis ihrer Richtigkeit zu erwarten hat.
Der Voraussetzung gemäss, dass der Ring des Saturns eine Häufung der Theilchen sei, die, nachdem sie von der Oberfläche dieses Himmelskörpers als Dünste aufgestiegen, sich vermöge des Schwunges, den sie von der Achsendrehung desselben an sich haben und fortsetzen, in der Höhe ihres Abstandes frei in Zirkeln laufend erhalten, haben dieselbe nicht in allen ihren Entfernungen vom Mittelpunkte gleich periodische Umlaufszeiten; sondern diese verhalten sich vielmehr, wie die Quadratwurzeln aus den Würfeln ihres Abstandes, wenn sie sich durch die Gesetze der Centralkräfte schwebend erhalten sollen. Nun ist die Zeit, darin nach dieser Hypothese die Theilchen des inwendigen Randes ihren Umlauf verrichten, ungefähr von 10 Stunden, und die Zeit des Zirkellaufs der Partikeln im auswendigen Rande ist nach gehöriger Ausrechnung 15 Stunden; also, wenn die niedrigsten Theile des Ringes ihren Umlauf 3 mal verrichtet haben, haben es die entferntesten nur 2mal gethan. Es ist aber wahrscheinlich, man mag die Hinderniss, die die Partikeln bei ihrer grossen Zerstreuung in der Ebene des Ringes einander leisten, so gering schätzen, als man will, dass das Nachbleiben der entferntern Theilchen bei jeglichem ihrer Umläufe die schneller bewegte niedrige Theile nach und nach verzögert und aufhält, dagegen diese den obern einen Theil ihrer Bewegung zu einer geschwindern Umwendung eindrücken müssen, welches, wenn diese Wechselwirkung nicht endlich unterbrochen würde, so lange dauren würde, bis die Theilchen des Ringes alle dahin gebracht wären, sowohl die niedrigen, als die weitern, in gleicher Zeit sich herumzuwenden, als in welchem Zustande sie in respectiver Ruhe gegen einander sein und durch die Wegrückung keine Wirkung in einander thun würden. Nun würde aber ein solcher Zustand, wenn die Bewegung des Ringes dahin ausschlüge, denselben gänzlich zerstören, weil, wenn man die Mitte von der Ebene des Ringes nimmt und setzt, dass daselbst die Bewegung in dem Zustande verbleibe, darin sie vorher war und sein muss, um einen freien Zirkellauf leisten zu können, die untern Theilchen, weil sie sehr zurück gehalten worden, sich nicht in ihrer Höhe schwebend erhalten, sondern in schiefen und excentrischen Bewegungen einander durchkreuzen, die entferntern aber, durch den Eindruck einer grössern Bewegung, als sie für die Centralkraft ihres Abstandes sein soll, weiter von dem Saturn abgewandt, als die Sonnenwirkung die äussere Grenze des Ringes bestimmt, durch dieselbe hinter dem Planeten zerstreuet und forgeführt werden müssten.
Allein man darf alle diese Unordung nicht befürchten. Der Mechanismus der erzeugenden Bewegung des Ringes führt auf eine Bestimmung, die denselben vermittelst eben der Ursachen, die ihn zerstören sollen, in einen sichern Zustand versetzt, dadurch dass er in etliche concentrische Zirkelstreifen getheilt wird, welche wegen der Zwischenräume, die sie absondern, keine Gemeinschaft mehr unter einander haben. Denn indem die Partikeln, die in dem inwendigen Rande des Ringes umlaufen, die obere durch ihre schnellere Bewegung etwas fortführen und ihren Umlauf beschleunigen, so verursachen die vermehrten Grade der Geschwindigkeit in diesen ein Übermass der Centrifugalkraft und eine Entfernung von dem Orte, da sie schwebten. Wenn man aber voraussetzt, dass, indem dieselbe sich von den niedrigen zu trennen bestreben, sie einen gewissen Zusammenhang zu überwinden haben, der, ob es zwar zerstreuete Dünste sind, dennoch bei diesen nicht ganz nichts bedeutend zu sein scheint: so wird dieser vermehrte Grad des Schwunges gedachten Zusammenhang zu überwinden trachten, aber selbigen nicht überwinden, so lange der Überschuss der Centerfliehkraft, die er in gleicher Umlaufszeit mit den niedrigsten anwendet, über die Centralkraft ihres Orts dieses Anhängen nicht übertrifft. Und aus diesem Grunde muss in einer gewissen Breite eines Streifens von diesem Ringe, obgleich, weil dessen Theile in gleicher Zeit ihren Umlauf verrichten, die obere eine Bestrebung anwenden, sich von den untern abzureissen, dennoch der Zusammenhang bestehen, aber nicht in grössere Breite, weil, indem die Geschwindigkeit dieser in gleichen Zeiten umbewegten Theilchen mit den Entfernungen, also mehr, als sie es nach den Centralgesetzen thun sollte, zunimmt, wenn sie den Grad überschritten hat, den der Zusammenhang der Dunsttheilchen leisten kann, von diesen sich abreissen und einen Abstand annehmen müssen, welcher dem Überschusse der Umwendungskraft über die Centralkraft des Orts gemäss ist. Auf diese Weise wird der Zwischenraum bestimmt, der den ersten Streifen des Ringes von den übrigen absondert; und auf gleiche Weise macht die beschleunigte Bewegung der obern Theilchen durch den schnellen Umlauf der untern und der Zusammenhang derselben, welcher die Trennung zu hindern trachtet, den zweiten concentrischen Ring, von welchem der dritte um eine mässige Zwischenweite absteht. Man könnte die Zahl dieser Zirkelstreifen und die Breite ihrer Zwischenräume ansrechnen, wenn der Grad des Zusammenhanges bekannt wäre, welcher die Theilchen an einander hängt; allein wir können uns begnügen, überhaupt die Zusammensetzung des saturnischen Ringes, die dessen Zerstörung vorbeugt und ihn durch freie Bewegungen schwebend erhält, mit gutem Grunde der Wahrscheinlichkeit errathen zu haben.
Diese Muthmassung vergnügt mich nicht wenig vermittelst der Hoffnung, selbige noch wohl dereinst durch wirkliche Beobachtungen bestätigt zu sehen. Vor einigen Jahren verlautete aus London, dass, indem man mit einem neuen, vom Herrn Bradley verbesserten Newtonischen Sehrohre den Saturn beobachtete, es geschienen habe, sein Ring sei eigentlich eine Zusammensetzung von veilen concentrischen Ringen, welche durch Zwischenräume abgesondert wären. Diese Nachricht ist seitdem nicht fortgesetzt worden. Die Werkzeuge des Gesichts haben die Kenntnisse der äussersten Gegenden des Weltgebäudes dem Verstande eröffnet. Wenn es nun vornehmlich auf sie ankommt, neue Schritte darin zu thun, so kann man von der Aufmerksamkeit des Jahrhunderts auf alle dasjenige, was die Einsichten der Menschen erweitern kann, wohl mit Wahrscheinlichkeit hoffen, dass sie sich vornehmlich auf eine Seite wenden werde, welche ihr die grösste Hoffnung zu wichtigen Entdeckungen darbietet.
Wenn aber Saturn so glücklich gewesen, sich einen Ring zu verschaffen, warum ist denn kein anderer Planet mehr dieses Vortheils theilhaftig geworden? Die Ursache ist deutlich. Weil ein Ring aus den Ausdünstungen eines Planeten, der sie bei seinem rohen Zustande aushaucht, entstehen soll, und die Achsendrehung diesen den Schwung geben muss, den sie nur fortzusetzen haben, wenn sie in die Höhe gelangt sind, da sie mit dieser eingepflanzten Bewegung der Gravitation gegen den Planeten gerade das Gleichgewicht leisten können: so kann man leicht durch Rechnung bestimmen, zu welcher Höhe die Dünste von einem Planeten aufsteigen müssen, wenn sie durch die Bewegungen, die sie unter dem Äquator desselben hatten, sich in freier Zirkelbewegung erhalten sollen, wenn man den Durchmesser des Planeten, die Zeit seiner Umdrehung und die Schwere auf seiner Oberfläche kennt. Nach dem Gesetze der Centralbewegung wird die Entfernung eines Körpers, der um einen Planeten mit einer dessen Achsendrehung gleichen Geschwindigkeit frei im Zirkel laufen kann, in eben solchem Verhältnisse zum halben Durchmesser des Planeten sein, als die den Mittelpunkt fliehende Kraft ünter dem Äquator desselben zur Schwere ist. Aus diesen Gründen war die Entfernung des innern Randes des Saturnringes wie 8, wenn der halbe Diameter desselben wie 5 angenommen wird, welche zwei Zahlen in demselben Verhältnisse wie 32:20 sind, die, so wie wir vorher bemerkt haben, die Proportion zwischen der Schwere und der Centerfliehkraft unter dem Äquator ausdrücken. Aus den gleichen Gründen, wenn man setzte, dass Jupiter einen auf diese Art erzeugten Ring haben sollte, würde dessen kleinster halber Durchmesser die halbe Dicke des Jupiter 10mal übertreffen, welches gerade dahin treffen würde, wo sein äusserster Trabant um ihn läuft, und daher sowohl aus diesen Gründen, als auch, weil die Ausdünstung eines Planeten sich so weit von ihm nicht ausbreiten kann, unmöglich ist. Wenn man verlangte zu wissen, warum die Erde keinen Ring bekommen hat, so wird man die Beantwortung in der Grösse des halben Durchmessers finden, den nur sein innerer Rand hätte haben müssen, welcher 289 halbe Erddiameter müsste gross geworden sein. Bei den langsamer bewegten Planeten entfernt sich die Erzeugung eines Ringes noch weiter von der Möglichkeit; also bleibt kein Fall übrig, da ein Planet auf die Weise, wie wir es erklärt haben, einen Ring hätte bekommen können, als derjenige, darin der Planet ist, welcher ihn wirklich hat, welches eine nicht geringe Bestätigung der Glaubwürdigkiet unserer Erklärungsart ist.
Was mich aber fast versichert macht, dass der Ring, welcher den Saturn umgiebt, ihm nicht auf diejenige allgemeine Art entstanden und durch die allgemeine Bildungsgesetze erzeugt worden, die durch das ganze System der Planeten geherrscht und dem Saturn auch seine Trabanten verschafft hat, dass, sage ich, diese äusserliche Materie nicht ihren Stoff dazu hergegeben, sondern er ein Geschöpf des Planeten selber sei, der seine flüchtigsten Theile durch die Wärme erhoben und ihnen durch seine eigene Achsendrehung den Schwung zur Umwendung ertheilt hat, ist dieses, dass der Ring nicht so wie die andern Trabanten desselben und wie überhaupt alle umlaufende Körper, die in der Begleitung der Hauptplaneten befindlich sind, in der allgemeinen Beziehungsfläche der planetischen Bewegungen gerichtet ist, sondern von ihr sehr abweicht: welches ein sicherer Beweis ist, dass er nicht aus dem allgemeinen Grundstoffe gebildet und seine Bewegung aus dessen Herabsinken bekommen, sondern von dem Planeten nach längst vollendeter Bildung aufgestiegen und durch dessen eingepflanzte Umschwungskräfte, als sein abgeschiedener Theil, eine sich auf desselben Achsendrehung beziehende Bewegung und Richtung bekommen habe.
Das Vergnügen, eine von den seltensten Besonderheiten des Himmels in dem ganzen Umfange ihres Wesens und Erzeugung begriffen zu haben, hat uns in eine so weitläufige Abhandlung verwickelt. Lasset uns mit der Begünstigung unserer gefälligen Leser dieselbe, wo es beliebig, bis zur Ausschweifung treiben, um, nachdem wir uns auf eine angenehme Art willkürlichen Meinungen mit einer Art von Ungebundenheit überlassen haben, mit desto mehrerer Behutsamkeit und Sorgfalt wiederum zu der Wahrheit zurück zu kehren.
Könnte man sich nicht einbilden, dass die Erde eben sowohl, wie Saturn ehemals einen Ring gehabt habe? Er möchte nun von ihrer Oberfläche eben so, wie Saturns seiner aufgestiegen sein und habe sich sich lange Zeit erhalten, indessen dass die Erde von einer viel schnelleren Umdrehung, als die gegenwärtige ist, durch wer weiss was für Ursachen bis zu gegenwärtigem Grade aufgehalten worden, oder dass man dem abwärts sinkenden allgemeinen Grundstoffe es zutrauet, denselben nach den Regeln, die wir oben erklärt, gebildet zu haben, welches man so genau nicht nehmen muss, wenn man seine Neigung zum Sonderbaren vergnügen will. Allein was für einen Vorrath von schönen Erläuterungen und Folgen bietet uns eine solche Idee dar! Ein Ring um die Erde! Welche Schönheit eines Anblicks für diejenige, die erschaffen waren, die Erde als ein Paradies zu bewohnen; wie viel Bequemlichkeit für diese, welche die Natur von allen Seiten anlachen sollte! Allein dieses is noch nichts gegen die Bestätigung, die eine solche Hypothese aus der Urkunde der Schöpfungsgeschichte enlehnen kann, und die für diejenige keine geringe Empfehlung zum Beifalle ist, welche die Ehre der Offenbarung nicht zu entweihen, sondern zu bestätigen glauben, wenn sie sich ihrer bedienen, den Ausschweifungen ihres Witzes dadurch ein Ansehen zu geben. Das Wasser der Feste, deren die Mosaische Beschreibung erwähnt, hat den Auslegern schon nicht wenig Mühe verursacht. Könnte man sich dieses Ringes nicht bedienen, sich aus dieser Schwierigkeit heraus zu helfen? Dieser Ring bestand ohne Zweifel aus wässrichten Dünsten; und man hat ausser dem Vortheile, den er den ersten Bewohnern der Erde verschaffen konnte, noch diesen, ihn im benöthigten Falle zerbrechen zu lassen, um die Welt, die solcher Schönheit sich unwürdig gemacht hatte, mit Überschwemmungen zu züchtigen. Entweder ein Komet, dessen Anziehung die regelmässige Bewegungen seiner Theile in Verwirrung brachte, oder die Verkühlung der Gegend seines Aufenthalts vereinigt dessen zerstreuete Dunsttheile und stürzte sie in einem der allergrausamsten Wolkenbrüche auf den Erdboden nieder. Man weiss leichtlich, was die Folge hievon war. Alle Welt ging im Wasser unter und sog noch über dieses in den fremden und flüchtigen Dünsten dieses unnatürlichen Regens denjenigen langsamen Gift ein, der alle Geschöpfe dem Tode und der Zerstörung näher brachte. Nunmehr war die Figur eines blassen und lichten Bogens von dem Horizonte verschwunden, und die neue Welt, welche sich dieses Anblicks niemals erinnern konnte, ohne ein Schrecken vor diesem fürchterlichen Werkzeug der göttlichen Rache zu empfinden, sah vielleicht mit nicht geringer Bestürtzung in dem ersten Regen denjenigen farbichten Bogen, der seiner Figur nach den erstern abzubilden schien, aber durch die Versicherung des versöhnten Himmels ein Gnadenzeichen und Denkmaal einer fortwährenden Erhaltung des nunmehr veränderten Erdbodens sein sollte. Die Ähnlichkeit der Gestalt dieses Erinnerungszeichens mit der bezeichneten Begebenheit könnte eine solche Hypothese denjenigen anpreisen, die der herrschenden Neigung ergeb sind, die Wunder der Offenbarung mit den ordentlichen Naturgesetzen in ein System zu bringen. Ich finde es für rathsamer, den flüchtigen Beifall, den solche Übereinstimmungen erwecken können, dem wahren Vergnügen völlig aufzuopfern, welches aus der Wahrnehmung des regelmässigen Zusammenhanges entspringt, wenn physische Analogien einander zur Bezeichnung physischer Wahrheiten unterstützen.
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